Sonntag, 15. Oktober 2023
Ein außergewöhnliches Konzert in Hanau
Verstörend. Aufwühlend. Tröstlich. So lässt sich „Cantata memoria“ des walisischen Komponisten Sir Karl Jenkins charakterisieren, das die Hanauer Kantorei am 15. Oktober in der Hanauer Christuskirche zur Aufführung brachte.
Im Oktober 1966 kam es in der kleinen walisischen Ortschaft Aberfan zu einem gigantischen Erdrutsch, der Teile des Ortes unter sich begrub, darunter die Grundschule, in der 111 Kinder im Alter von 7 bis 11 Jahren den Tod fanden. Insgesamt starben 144 Menschen. Zum 50. Jahrestag der Katastrophe komponierte Jenkins 2016 dieses Werk, das er den Opfern des Unglücks widmete („For the Children“). Die Hanauer Kantorei präsentierte das beeindruckende und zu Herzen gehende Meisterwerk gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendchor der Karl-Rehbein-Schule Hanau.
Auch das Eröffnungswerk des Konzertes ist dem Gedenken gewidmet. Vor 60 Jahren starb der Hanauer Komponist Paul Hindemith. Zu Ehren dieses großen Sohnes der Stadt erklang „Apparebit repentina dies“. Der lateinische Text dieser kurzen Kantate (aus dem frühen Mittelalter) thematisiert das Weltgericht. Dazu passt die ungewöhnliche Orchesterbesetzung: Zehn Blechblasinstrumente begleiten den Chor!
Solistisch wurden die Sopranistin Natascha Jung und der Bariton Jakob Mack zu hören sein, begleitet wurden die Künstler von der Kammerphilharmonie Rhein-Main und Mitgliedern der Bläserphilharmonie Rhein-Main unter der Gesamtleitung von Frank Hagelstange.
Man spürte vor allem bei der Cantata Memoria von Sir Karl Jenkins, wie die unterschiedlichen und zum Teil sehr extremen lautmalerisch perfekt komponierten Stimmungen das Publikum mitnahm. Das Orchester interpretierte sehr pointiert und in herausragender Harmonie die bewegende Musik.
Herausgehoben werden müssen die Sopranistin Natasche Jung, die in unvergleichlicher Weise die von Jenkins geforderten dynamischen und zum Teil extremen Tonlagen darbrachte. In wunderbarer Harmonie verband sich ihr zarter und gleichzeitig kraftvoller Sopran mit der sonoren, warmen und eleganten Stimme des Baritons Jakob Mack. Beide Solisten machten die zum Teil fast schon unerträglichen Momente der bildhaften Jenkins'schen Musik körperlich spürbar. Dies wurde in meisterlicher Weise vom Violinisten Julian Fahrner beantwortet. Schmerz, Verzweiflung, Hoffnung und Zuversicht vermochte er mit seinem Instrument einmal in fast nicht wahrnehmbarer Zartheit, beim nächsten Mal in virtuoser und fordernder Dynamik darzustellen. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Der circa 50-stimmige Kinder- und Jugendchor der Karl-Rehbein-Schule Hanau bewegte mit seinern reinen und offenen Stimmen Publikum und alle am Konzert Beteiligten in besonderer Weise.
Ein war ein ganz besonderes Konzert mit herausragenden Künstlern, das mit Textbeiträgen der Pröpstin Sabine Kropf-Brandau einen erklärenden und gleichzeitig spirituellen Rahmen erhielt.